Forscher veröffentlichen "Manifest für eine reflexive UFO-Forschung"

(10. Oktober 2012)


Archiv: Auszüge aus dem von den deutschen UFO-Forschungsorganisationen gemeinsam erarbeiteten Fragebogen für UFO-Sichtungszeugen. | Copyright: grewi.de (Illu.), Quelle: ufo-forschung.de

Freiburg (Deutschland) - Die Autoren und Mitglieder der Gesellschaft für Anomalistik (GfA) Andreas Anton, Gerd H. Hövelmann und Michael Schetsche vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) haben dieser Tage ein "Manifest für eine reflexive UFO-Forschung" veröffentlicht. Es fasst die wichtigsten programmatischen Forderungen für eine zukünftige Ausrichtung der UFO-Forschung zusammen, die zudem in dem demnächst erscheinenden Buch "Diesseits der Denkverbote. Bausteine für eine reflexive UFO-Forschung" dargelegt werden. Im Folgenden stellen wir den vollständigen Text dieses Manifests unkommentiert vor.
 


+ + +

Manifest für eine reflexive UFO-Forschung

Aufgrund unserer Überzeugung, dass (a) anomale Phänomene eine Herausforderung für die Wissenschaft darstellen, die eine erhöhte Chance auf die Erlangung neuartiger Erkenntnisse bieten, (b) die soziale Stigmatisierung und öffentliche Ablehnung eines bestimmten Erfahrungs- und Phänomenbereichs dessen Untersuchung gerade nicht entgegenstehen sollte und (c) der Ausschluss von Spontanphänomenen aufgrund ihrer besonderen Charakteristika oder methodischer Probleme bei deren Untersuchung den Grundprinzipien der Wissenschaft widerspricht, plädieren wir für eine systematische wissenschaftliche Erforschung des UFO-Phänomens in allen seinen Aspekten. Diese Forschung sollte sich nach unserer Überzeugung an fünf Leitsätzen orientieren:

1. Die Erforschung des UFO-Phänomens stellt aufgrund des speziellen Charakters des Untersuchungsgegenstandes besondere wissenschaftliche Anforderungen.

Eine Erforschung des UFO-Phänomens nach den üblichen wissenschaftlichen Standards scheint uns prinzipiell möglich - auch wenn sie (etwa aufgrund der Elusivität des Phänomens) besonders schwerwiegende erkenntnistheoretische, methodologische und methodische Probleme aufwirft. Fortschritte bei der Erforschung des Phänomens werden sich nach unserer Überzeugung nicht ohne eine in hohem Maße interdisziplinäre Perspektive erzielen lassen.

Naturwissenschaftlich orientierten Untersuchungen der ontischen Qualitäten (etwa der physikalischen Realität) des UFO-Phänomens müssen notwendig um psychologische sowie sozialwissenschaftliche Fragestellungen erweitert werden. In gleicher Weise erscheinen kulturwissenschaftliche Rekonstruktionen der UFO-Frage höchst unzulänglich und wenig zielführend, die sich allein auf die epistemologische Perspektive beschränken, alle phänomenologischen Aspekte hingegen von vornherein ausklammern. Zur Untersuchung des Phänomens sind nach unserer Überzeugung deshalb interdisziplinäre Teams, Projekte und Forschungseinrichtungen sowie kombinierte natur- und kulturwissenschaftliche
Fragestellungen am besten geeignet. Ideal wäre die Einrichtung nationaler Forschungsstellen, die mit wissenschaftlichem Personal unterschiedlicher Disziplinen und entsprechenden technischen Instrumenten (etwa für Felduntersuchungen) ausgestattet sind.

2. Die Untersuchung des UFO-Phänomens muss wissenschaftlich professionell erfolgen; eine Akademisierung der UFO-Forschung ist notwendig, um die Einhaltung allgemein akzeptierter wissenschaftlicher Standards dauerhaft sicherzustellen.

Auch wenn die Laienforschung weiterhin eine wichtige Rolle bei der Erfassung und Erstauswertung von UFO-Sichtungen spielen wird, muss die systematische Untersuchung des Phänomens mittelfristig in die Hand akademisch ausgebildeter Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gelegt werden. Diese müssen in der Lage sein, empirische Untersuchungen nach allen methodischen Regeln durchzuführen, über eine überdurchschnittliche methodologische Reflektionsfähigkeit verfügen und sich der erkenntnistheoretischen Problematik ihres Untersuchungsgegenstandes bewusst sein. Dafür spielt ihre Einbindung in traditionelle Forschungszusammenhänge sowie die dauerhafte Kontrolle der Untersuchungen durch die entsprechenden Fachdisziplinen wie die Scientific Community insgesamt eine wesentliche Rolle. In diesem Kontext wäre es höchst wünschenswert, wenn Forschungsergebnisse und theoretische Erörterungen zum Thema ihren akzeptierten Platz in anerkannten Fachorganen und Foren der beteiligten Disziplinen finden würden. Nur die Kontrolle durch das akademische Umfeld kann langfristig die Einhaltung wissenschaftlicher Standards bei der UFO-Forschung sicherstellen.

3. Eine wissenschaftliche UFO-Forschung kann nicht auf Basis der UFO-ET-Hypothese durchgeführt werden, darf diese aber auch nicht kategorisch ausschließen.

Obwohl die UFO-ET-Hypothese für die wissenschaftliche Erforschung des Phänomens nicht konstitutiv ist, erlaubt es der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand (etwa hinsichtlich der möglichen Verbreitung und Entwicklung von Leben im Universum) doch nicht, diese spezifische Deutung von vornherein und kategorisch auszuschließen. Dies ist vielmehr eine unter vielen möglichen Erklärungshypothesen, die bei Untersuchung der UFO-Frage berücksichtigt werden sollte. Die vorgängige Zurückweisung dieser Hypothese basiert primär auf einem Konglomerat (meist unausgesprochener) anthropozentrischer Vorurteile, die sachlich, aber auch erkenntnistheoretisch ungeeignet sind, die wissenschaftliche Erforschung des UFO-Phänomens anzuleiten. Vor diesem Hintergrund ist auch eine enge Zusammenarbeit mit der SETA-Forschung sinnvoll, da diese nicht nur alle wichtigen (kosmologischen, evolutionsbiologischen usw.) Vorannahmen der UFO-ET-Hypothese teilt, sondern auch in gleicher Weise unter unzulässigen anthropozentrischen Vorannahmen zu leiden hat.

Schließlich sollte die UFO-ET-Hypothese auch als eine mögliche Lösung des Fermi-Paradoxons ernst genommen und - insbesondere im Kontext der SETI-Forschung - vorurteilsfrei diskutiert werden.

4. Eine im eigenen Interesse unentbehrliche Zusatzaufgabe der wissenschaftlichen UFO-Forschung ist die Versachlichung der öffentlichen Diskussionen zum Thema.

Ernsthafte Forschung zum UFO-Phänomen wird auf Dauer unmöglich, wenn Sichtungsmeldungen und deren wissenschaftliche Untersuchung zum Gegenstand einer massenmedialen Berichterstattung werden, die primär das Ziel verfolgt, UFO-Sichter wie UFO-Forscher gleichermaßen lächerlich zu machen, das Thema zu diskreditieren und ins gesellschaftliche Abseits zu stellen. Diese weit verbreitete mediale Praxis hindert Zeugen daran, freimütig über ihre Erlebnisse zu sprechen, macht es Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen (aus Angst um ihre Reputation) unmöglich, öffentlich zu ihrem Interesse am Thema zu stehen und sie blockiert letztlich auch die staatliche Förderung entsprechender Forschungsprojekte. Da aufgrund der strukturellen Verfasstheit der Massenmedien davon auszugehen ist, dass moralische Appelle an dieser Stelle nicht helfen, bleibt der UFO-Forschung keine andere Möglichkeit, als die Medienberichterstattung selbst zum Gegenstand systematischer wissenschaftlicher Untersuchung zu machen. Dabei sollten Verstöße gegen die Grundregeln journalistischer Arbeit deutlich benannt und funktionale wie ideologische Hintergründe der Diskreditierungspraktiken offengelegt werden. Ziel kann es hier nur sein, einen kritischen Gegendiskurs anzustoßen, der die Massenmedien langfristig zwingt, ihren eigenen Umgang mit dem Thema kritisch zu hinterfragen. Namentlich jene Medien und Medienvertreter, die für sich Werte wie 'Aufklärung' und 'Rationalismus' in Anspruch nehmen, sollten nachdrücklich daran erinnert werden, die von ihnen propagierten Prinzipien auch beim UFO-Thema ernst zu nehmen.

5. Das Verhältnis staatlicher Stellen zur UFO-Forschung ist zu klären und auf eine neue Grundlage zu stellen.

Historische Studien und inzwischen freigegebene Geheimakten belegen, dass es über Jahrzehnte hinweg in vielen Ländern eine systematische UFO-Politik gegeben hat. Deren Aufgabe war, nach allem was wir wissen, jedoch weniger die Förderung einer wissenschaftlichen Erforschung des Phänomens, als dessen sicherheitspolitische Funktionalisierung. Nach Ende des Kalten Krieges scheint diese Ausrichtung überholt und die Rolle staatlicher Instanzen bei der UFO-Forschung kann überdacht und neu bestimmt werden. Hier ist - etwa zur Vermeidung internationaler Konflikte oder bezüglich der Verbesserung der Luftsicherheit - nicht nur eine systematische Zusammenarbeit der UFO-Forschung mit staatlichen Stellen erforderlich, es ist auch eine direkte oder indirekte staatliche Finanzierung der entsprechenden Untersuchungen bzw. Einrichtungen vorstellbar. Eine solche Finanzierung sollte im Rahmen allgemeiner staatlicher Förderprogramme für wissenschaftliche Zwecke erfolgen, nicht jedoch über sicherheitsbezogene Maßnahmenpakete, die der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse spezifische Restriktionen auferlegen und nur wieder den Verdacht staatlicher Geheimpolitik auf diesem Sektor bestärken. Falls eine staatliche Förderung nationaler oder internationaler Koordinierungs- und Forschungsstellen zum Phänomen realisierbar ist, sollte mithin deren organisatorische Unabhängigkeit sichergestellt werden.

Folgerung:
Um die UFO-Forschung zu einem legitimen und anerkannten Gegenstand universitärer wie außeruniversitärer Forschung zu machen, schlagen wir die Etablierung eines neuen Forschungsparadigmas vor, mit dessen Hilfe die Spaltungen zwischen wissenschaftlicher und von Laien getragener Forschung, zwischen natur- und kulturwissenschaftlicher Orientierung sowie zwischen phänomenologischer und diskursiver Ausrichtung überwunden werden können. Eine UFO-Forschung, die einem solchen Paradigma folgt, sollte sich (a) der erkenntnistheoretischen Besonderheiten des untersuchten Phänomens und der damit verbundenen methodischen Probleme, (b) der riskanten medialen und (wissenschafts-)politischen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit und (c) der kaum auflösbaren Verschränkung zwischen subjektiven Evidenzen, wissenschaftlichen Daten und gesellschaftlichen Diskursen in ihrem Untersuchungsfeld bewusst sein und diese Dimensionen in ihre Fragestellungen, Methodologie und Forschungsorganisation mit einbeziehen. Wir möchten einem solchen Paradigma vorläufig den Namen "Reflexive UFO-Forschung" geben und schlagen vor, dass es sich an den oben formulierten fünf Leitsätzen orientieren möge. Auf deren Basis sollte der Versuch unternommen werden, eine akademisch orientierte reflexive UFO-Forschung nicht nur im deutschsprachigen Raum zu etablieren.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aller Fachdisziplinen sind nachdrücklich aufgefordert, sich an den Debatten über deren zu entwickelnde Programmatik zu beteiligen.

Freiburg, im Oktober 2012
Andreas Anton, Gerd H. Hövelmann, Michael Schetsche

Quelle und weiter:
http://grenzwissenschaft-aktuell.blogspot.de/2012/10/forscher-veroffentlichen-manifest-fur.html

Mehr zum Thema: http://www.ufo-forschung.de/forschung/manifest-fuer-eine-reflexive-ufo-forschung-veroeffentlicht